Krampfadern? Was ist das?
Liebe Patientin, lieber Patient.
Zu einer guten Behandlung gehört der aufgeklärte und informierte Patient. Sie sollen daher auf den nächsten Seiten etwas über Ihre Krampfadererkrankung lernen. Diese Schrift soll das ärztliche Gespräch nicht ersetzen sondern ergänzen. Denn, was man schwarz auf weiß besitzt, kann man getrost nach hause tragen.
Der Name Krampfader ist im Mittelalter entstanden. Ursprünglich hieß es "Krampader", was soviel wie Krummader bedeutet. Krampfadern haben also nichts mit Krämpfen zu tun, wie häufig angenommen wird. Krampfen kann natürlich nur ein Muskel. Zwar können große Krampfadern bei entsprechendem Venenstau die Krampfneigung eines Muskels verstärken, aber zunächst einmal haben beide Dinge nichts miteinander zu tun. Krampfadern sind das Ergebnis einer degenerativen Erkrankung des oberflächlichen Venensystems. Die Ursachen dieser Erkrankung sind nicht bekannt. Die Erkrankung ist angeboren und wird nach nicht bekannten Regeln vererbt und führt zu einer Zerstörung der Stützelemente sowie der elastischen Fasern in der Venenwand, die dann dem Innendruck durch das Blut nicht mehr standhalten kann und sich ausweitet, vergleichbar mit einem ausgeleierten Gummizug. Da die Venen durch den Elastizitätsverlust länger werden, (denken sie an den Gummizug), müssen sie sich um Platz zu finden, schlängeln.
Einige Zahlen
Die Krampfadererkrankung ist eine Volkskrankheit. Jede 2. Frau und jeder 4. Mann in der BRD haben Krampfadern und jeder 5. Bundesbürger hat behandlungsbedürftige Krampfadern. In der BRD leben mehr als 1 Million Menschen mit einem offenen Bein (Ulcus cruris), als Folge einer unbehandelten Venenerkrankung.
Etwas Physiologie
Das oberflächliche Venensystem ist für den Menschen nicht lebensnotwendig. Es dient heute nur noch der Blutentsorgung der Haut. Der Blutrückfluß, aus dem Bein zum Herzen hin zurück, geschieht ausschließlich durch das tiefe Venensystem. Dieser Transport bedarf einer Antriebskraft, schließlich muß das Blut "bergauf" fließen. Die Antriebskraft für den Blutfluß im tiefen Venensystem kommt im Wesentlichen aus der Beinmuskulatur. Unter Muskelarbeit wird das tiefe Venensystem regelrecht ausgemolken. Man spricht daher auch von einer Sprunggelenkspumpe, einer Wadenmuskelpumpe, Kniegelenkspumpe etc. Eine wichtige Aufgabe haben in diesem System die Venenklappen. Sie wirken wie Schleusentore
Abb. 1: Blutflußrichtung in gesunden und kranken Venen.
Abb. 2: Stadieneinteilung n. HACH
und sorgen durch ihre Anordnung dafür, daß das Blut in die richtige Richtung fließt, nämlich herzwärts und keinesfalls rückwärts ins Bein zurück, oder nach außen an die Oberfläche unter oder in die Haut. Kurz gesagt, die richtige, physiologische Blutflußrichtung ist in der Tiefe herzwärts gerichtet und von der Oberfläche her in die Tiefe gerichtet (Abb.1). Jede Abweichung von dieser Regel ist krankhaft und führt auf die Dauer zu mehr oder weniger schweren Schäden am Bein, sowohl an der Haut und der Muskulatur, als auch am tiefen Venensystem.
Krampfadertypen
Die Krampfadern werden nach Größe, anatomischer Zuordnung und Lokalisation in verschiedene Typen eingeteilt.
- Stammvenen-Krampfadern
- Seitenast-Krampfadern
- Perforans-Krampfadern
- Retikuläre-Krampfadern
- Besenreiser-Krampfadern
Etwas Pathophysiologie
Durch die Verschlußunfähigkeit der Venenklappen im Bereich der Mündung der Stammvene, z.B. in der Leiste (Vena saphena magna), kommt es zu einem ungehinderten Rückfluß des Blutes aus der Tiefe zur Oberfläche in die dort liegenden zerstörten Venengeflechte. Der Stammvenen-Erkrankung kommt eine besondere Bedeutung zu. In der zerstörten und mehr oder weniger klappenlosen Stammvenen-Krampfader kann das Blut wie in einer "Regenfallrinne" unter hohem Druck fußwärts zurückfließen. Je nachdem wie weit die Länge der Zerstörung der Stammvene fortgeschritten ist, teilt man diese Stammvenen-Insuffizienz in 4 Grade ein (Vena saphena magna) oder bei der kürzeren Kniekehlen-Stammvene (Vena saphena parva) in 3 Grade (Abb.2). Der hohe Blutgehalt des oberflächlichen Venensystems, der hohe Druck in den fußnahen Venen und im Bereich eventuell zerstörter Perforans-Venen, führt zu einem Blutrückstau in der Haut. Hieraus entsteht im Laufe der Zeit eine mehr oder weniger ausgeprägte krankhafte Veränderung der Haut. Es fängt an mit leichten Pigmentierungen, Schwellneigung des Beines, kleinen Hautentzündungen, Venenentzündungen etc., und führt auf die Dauer dann weiter zu flächenhaften Entzündungen der Haut und des Unterhautfettgewebes im Bereich der höchstem Belastung, also meist im Bereich der Knöchelregion. Zum Teil kommt es dann, wenn nicht endlich eine konsequente Behandlung erfolgt, zu einer weiteren Verschlimmerung, die schließlich im offenen Bein (Ulcus cruris) endet.
Das bisher Beschriebene stellt den Bereich dar, den der Betroffene am leichtesten selbst beobachten kann. Darüber hinaus jedoch, führt der ständige Rückfluß des Blutes in der Oberfläche dazu, daß über lange Zeit hinweg das tiefe Venensystem ständig zunehmende Mengen an Rückflußblut zusätzlich zu seiner eigentlichen Leistung transportieren muß. (Rezirkulations-Kreisläufe). Das tiefe Venensystem arbeitet somit ständig unter den Bedingungen, wie ein Flußbett, in dem Tag für Tag Hochwasser herrscht. Wie das Hochwasser zur Zerstörung der Flußufer etc. führt, so kommt es auch im tiefen Venensystem auf die Dauer zu bleibenden Schädigungen, die mit Ausweitung und Klappenzerstörung einhergehen (sekundäre tiefe Beinveneninsuffizienz). Schäden am tiefen Venensystem sind irreparabel.
Schlußfolgerungen
Zusammenfassend kann man also feststellen, daß eine mehr oder weniger ausgeprägte Krampfadererkrankung langfristig gesehen, immer zu mehr oder weniger ausgedehnten Schäden, sowohl in der Oberfläche, also im wesentlichen der Haut, als auch in der Tiefe, dem tiefen Venensystem, führen muß. Beim einen Patienten mehr, beim anderen Patienten weniger, aber, daß es zu Spätschäden kommt, ist absolut sicher.
Die Krampfadererkrankung als harmlos zu bezeichnen, ist also ein Trugschluß. Harmlos ist die Krampfadererkrankung nur insofern, als der Betroffene daran nicht verstirbt, jedenfalls nicht so ohne weiteres. Darüber hinaus jedoch kann sie im Laufe des Lebens zu einer Vielzahl von schwerwiegenden Folgen, Komplikationen und Beeinträchtigungen der Lebensqualität führen. Die Krampfadererkrankung ist wie jede andere chronische Erkrankung auch, eine behandlungsbedürftige Erkrankung. Daran ist nicht zu rütteln. Die häufig vorhandene Neigung, die Krampfadererkrankung zu verharmlosen, kann nur als schwerwiegender Fehler angesehen werden. Hat eine Krampfadererkrankung einen gewissen Schweregrad erreicht, so ist sie behandlungsbedürftig. Dabei ist es völlig gleichgültig wie das Bein aussieht, ob der Betroffene dies schlimm findet oder nicht, ja es ist auch gleichgültig ob der Betroffene Beschwerden hat oder nicht. Die zerstörte venöse Funktion, die zu einer Beeinträchtigung des venösen Blutflusses (Hämodynamik) geführt hat, ist die logische und ausreichende Begründung für die Notwendigkeit (Indikation) zur Behandlung der Krampfadern.
"Nur Frühbehandlung schützt vor Spät- und Dauerschäden".
Aktuelle Leitlinie:
Diagnostik und Therapie des Krampfaderleidens
www.leitlinien-online.de