Ambulante oder stationäre Krampfaderoperation?
Liebe Patientin, lieber Patient.
Operative Eingriffe, die eine intensive postoperative Überwachung und Nachsorge nicht erforderlich machen, können ohne weiteres unter ambulanten Bedingungen durchgeführt werden. Die folgenden Zeilen sollen Ihnen eine Vorstellung vermitteln über die Bedingungen der ambulanten Krampfaderchirurgie, damit Sie, zusammen mit dem ausführlichen ärztlichen Gespräch, eine rationale (überlegte) Entscheidung treffen können.
Die Grundvoraussetzungen für eine ambulant durchzuführende Operation sind nach allgemeiner Übereinkunft:
- Klare Indikationsstellung.
- Hohe Mobilität (Beweglichkeit, Belastbarkeit) des Patienten nach dem Eingriff.
- Geringe Morbidität (Krankheitsgefühl) nach dem Eingriff.
- Vertretbares Risiko - Risikobelastung des Patienten, Operatives Risiko (Komplikationen), Postoperatives Risiko.
- Hoher Qualitätsstandard der operativen Einrichtung, des Operateurs sowie des nachgeordneten Personals.
- Gesicherte Nachsorge.
Zu 1: Die Krampfadererkrankung stellt eine relative Operationsindikation dar. (Indikation = Notwendigkeit der Behandlung einer Erkrankung). Relativ deshalb, weil die Krampfadererkrankung keine lebensentscheidende Erkrankung darstellt, d.h. die Krampfadererkrankung kann zwar eine Menge an Beeinträchtigung der Lebensqualität nach sich ziehen, aber man stirbt nicht daran. Für relative Indikationen gilt, dass das Risiko durch die Operation (Komplikationen etc.) nicht höher sein darf, als das Risiko des Spontanverlaufs der Erkrankung, d.h. auch ohne Behandlung. Hat der Patient ein erkennbares Risiko, so soll man mit operativen Maßnahmen zurückhaltend sein und andere Versorgungsmaßnahmen bevorzugen. Man operiert also immer, gleichgültig ob ambulant oder stationär, relativ gesunde und selbstversorgungsfähige Patienten. In der Strenge der Indikationsstellung unterscheiden sich ambulante und stationäre Versorgung nicht. Wie immer, so gibt es auch hier Grenzfälle, die durchaus eine stationäre Behandlung rechtfertigen, bzw. wünschenswert erscheinen lassen.
Zu 2: Grundvoraussetzung für die postoperative Nachsorge nach einer Krampfaderoperation ist die Beweglichkeit. Nur wenn die Muskulatur arbeitet, tritt die Pumpfunktion in Gang (Sprunggelenkpumpe, Wadenmuskelpumpe) und ist ein ausreichender venöser Rückfluss gewährleistet. Bettruhe ist nicht notwendig und auch nicht erwünscht.
Zu 3: Krampfaderchirurgie ist subkutane Chirurgie, d.h. der Eingriff ist begrenzt in seiner Ausdehnung. Entsprechend gering ist die Belastung für den Patienten. Auch die postoperativen Schmerzen halten sich in Grenzen, stärkere Schmerzmittel sind selten erforderlich.
Zu 4: Patienten mit einem wesentlichen gesundheitlichen Risiko sollen nicht umfassend operativ saniert werden. Hier stehen konservative Maßnahmen im Vordergrund oder, falls unumgänglich, sind operative Maßnahmen in mehreren Teilschritten (mehrzeitig) zu planen.
Intraoperative Risiken kommen bei exakter Operationstechnik praktisch nicht vor. Blutungen während der Operation sind in einem gewissen Umfang normal, da die Krampfadern z.T. nur abgerissen werden. Bei sorgfältiger Technik ist der Blutverlust gering; Blutersatz ist nie erforderlich. Blutstillung erfolgt am Ende der Operation durch einen Kompressionsverband. Daher ist ein, nach der Operation, mehr oder weniger ausgedehnter, sichtbarer Bluterguss als normal anzusehen.
An postoperativen Komplikationen sind Nachblutung, Wundheilungsstörungen und tiefe Beinvenenthrombose zu nennen. Nachblutungen sind wegen des angelegten Kompressionsverbandes praktisch ohne Bedeutung, wesentliche Nachblutungen aus der Leiste können durch entsprechende Operationstechnik vermieden werden, Blutungen aus den Hauträndern etc. sind bedeutungslos und durch Kompression zu beherrschen. Wundheilungsstörungen kommen wegen der oberflächennahen Ausdehnung des Eingriffes praktisch nicht vor, Hospitalismus als wesentliches Risiko für Wundinfektionen im Krankenhaus, ist bei ambulanten Operationen nicht zu befürchten.
Somit bleibt, als wesentliche Komplikationsmöglichkeit, nur die tiefe Beinvenenthrombose. Wie auch bei anderen Operationen und sonstigen Erkrankungen ist die Thrombose nicht eingriffsspezifisch, sondern entspricht einer in gewissem Umfang gesteigerten Thromboseneigung im Zusammenhang mit Operationen, Geburten und sonstigen ernsthaften Erkrankungen. Die Häufigkeit von tiefen Beinvenenthrombosen im Zusammenhang mit einer ambulanten Krampfaderoperation ist extrem gering. Sie wird angegeben mit einer Häufigkeit von 0,06%, das sind weniger als zwei Thrombosen auf 3.000 Operationen. Darüber hinaus stellen insbesondere bei der ambulanten Operation, Frühmobilisation, fehlende Bettruhe und der ohnehin notwendige Kompressionsverband bzw. Kompressions-Strumpf beste Maßnahmen zur Thromboseprophylaxe dar.
Die Kontraindikationen = Gegenanzeigen für eine ambulante Krampfaderoperation sind, wie bereits erwähnt, im Prinzip die gleichen wie für einen unter stationären Bedingungen durchzuführenden Eingriff. Jedoch gibt es durchaus Zusammenhänge, die eine stationäre Versorgung wünschenswert erscheinen lassen. Als einzige wirklich spezifische Kontraindikation für eine ambulante Operation kann gelten: der alleinstehende Patient sowie der außerhalb eines bestimmten Radius vom Standort der operierenden Einrichtung wohnende Patient. Aus dem bisher Gesagten kann man nun natürlich nicht ableiten, dass jeder der kann, sich auch ambulant operieren lassen muss. Patienten, die auch nach gründlicher Aufklärung Bedenken oder Vorbehalte gegenüber einer ambulanten Operation haben, wird man weder "überreden" noch "bedrängen".
Zu 5: Wer ambulante Chirurgie betreiben will muss einen persönlichen, personellen und organisatorischen Standard nachweisen, der den Vergleich mit einem gut organisierten Krankenhaus in nichts nachsteht. Persönliche und personelle Voraussetzungen meint dabei, ein in der Durchführung von Krampfaderoperationen aller Schwierigkeitsgrade und Ausdehnung erfahrenes Team. Wir vertreten daher unumwunden die Auffassung, dass Krampfaderchirurgie in die Hand des speziell ausgebildeten Gefäßchirurgen gehört. Zum Standard der operativen Einrichtung gehört dabei ein isolierter Operationstrakt mit optimal eingerichteten Operationsräumen, Narkoseeinrichtung, Einrichtung zum intraoperativen und postoperativen Monitoring, Aufwachräume etc.
Zu 6: Im Prinzip muss man davon ausgehen, dass der Patient mit Beendigung der Operation in der Lage ist, seine persönlichen Dinge selbst zu regeln. Er ist mobil und kann seine üblichen Verhaltensweisen im privaten und Hobbybereich sofort wieder aufnehmen. Ein mit den Verhältnissen des Patienten, sowie den Bedingungen der durchgeführten Operation vertrauter Arzt soll erreichbar sein.
Ambulant oder stationär?
Um die in Fachkreisen gelegentlich kontroverse Diskussion um die Frage, ambulante oder stationäre Versorgung in der Krampfaderchirurgie, auf eine einheitliche und objektive Basis zu stellen, hat die Deutsche Gesellschaft für Gefäßchirugie (DGG) zu ihren Leitlinien "Primäre Varikosis" einen Anhang verfasst, in dem die Prinzipien der Entscheidungsfindung niedergelegt sind. Die Leitlinien sind allgemein zugänglich im Internet unter der Adresse:
http://www.uni-duesseldorf.de/WWW/AWMF/
Die Kernsätze dieses Papiers haben Sie bereits im Wesentlichen kennengelernt.
Zusammengefasst kann man sagen, dass eine Operation unter ambulanten Bedingungen erfolgen kann wenn
- der Patient nach entsprechender Aufklärung dies wünscht,
- der Patient zuverlässig ist und damit die postoperative Zusammenarbeit gewährleistet ist,
- der Patient keine wesentlichen gesundheitlichen Risiken aufweist,
- der Lokalbefund eine ambulante Operation technisch zulässt,
- der Patient im häuslichen Bereich versorgt ist,
- der Patient in erreichbarer Nähe zum Operateur wohnt,
- die technischen Voraussetzungen im Operationszentrum erfüllt sind.
Darüber hinaus muss im konkreten Einzelfall im Gespräch mit dem beratenden Arzt die Entscheidung für eine ambulante Operation oder eine stationäre Versorgung getroffen werden. Das Ziel lautet:
"Soviel ambulante Operationen wie möglich, soviel stationäre Versorgung wie nötig."
Aktuelle Leitlinie:
Diagnostik und Therapie des Krampfaderleidens
www.leitlinien-online.de