Ödeme
Liebe Patientin, lieber Patient.
Sie leiden unter geschwollenen Beinen oder aber doch zumindest an einer zeitweise auftretenden Schwellneigung der Beine. Dies ist ein durchaus ernstzunehmender Befund und bedarf der Behandlung. Wie dies zustande kommt und welche Bedeutung der Schwellneigung zukommt, sollen Sie auf den nächsten Seiten erfahren.
Physiologie und Pathophysiologie
Unter Ödem versteht man eine nicht gerötete Schwellung infolge von Wasseransammlung in den Gewebespalten.
Die Physiologie des Wasser und Flüssigkeitshaushaltes unseres menschlichen Körpers ist einigermaßen kompliziert. Die Kenntnis einiger Grundlagen hierzu ist jedoch zum besseren Verständnis notwendig. Der Stoffwechsel ist davon abhängig, daß die Austauschbahn (Kapillaren) unseres Gefäß-Transport-System "etwas" durchlässig ist für Wasser, Eiweiß, Salze, Hormone, Nährstoffe etc. Die Stoffe und die Flüssigkeit, sowie die Abbaustoffe des Stoffwechsels müssen, nachdem sie ihre Aufgabe erfüllt haben, auch den Rückweg ins Gefäß-Transport-System finden, um evtl. ausgeschieden oder neuen Aufgaben zugeführt werden zu können. Zum Abtransport steht wiederum die Stoffaustauschbahn (Kapillaren) des Gefäßsystems und zusätzlich das Lymphgefäßsystem zur Verfügung. Um dies alles regelrecht ablaufen zu lassen, ist das Zusammenspiel von hierfür fein abgestimmten Mechanismen erforderlich. Ohne auf Einzelheiten näher eingehen zu wollen, kann man grundsätzlich sagen, daß ein Ödem die folgenden Ursachen haben kann.
Zum Verständnis: hydrostatisch = vom Wasserduck abhängig; kolloidosmotischer Druck = Kraft einer Substanz, Wasser an sich zu binden. Trifft zu z.B. für Eiweiße und Salze.
- Erhöhung des hydrostatischen Druckes, d.h. des Druckes, der in den zuführenden bzw. abführenden Gefäßen herrscht. Beispiel: Dicke, gestaute Krampfadern, Stehberufe.
- Verminderter Gewebedruck. Beispiel: Schlaffe Haut oder verminderter Gewebedruck bei Muskelabbau, z.B. bei Gipsbehandlung oder Rollstuhlfahrern.
- Verringerter kolloidosmotischer Druck des Blutes. Beispiel: Eiweißmangel, z.B. Hungerödeme.
- Erhöhter kolloidosmotischer Druck der Gewebe-spalten-Flüssigkeit. Beispiel: Verletzungsbedingte Schwellungen, Entzündungen.
Die Verteilung der Flüssigkeit, im wesentlichen Wasser, von oben (Kopf) nach unten (Füße) folgt der Schwerkraft der Erde und ist innerhalb gewisser Grenzen physiologisch, d.h. auch gesunde Füße und Beine sind, abhängig von der Art und Intensität der Tätigkeit, abends etwas dicker als morgens. Dieses "physiologische Ödem" fließt nachts unter Bettruhe wieder ab. Ist dieser Vorgang gestört oder nicht vollständig, weil das Ödem einfach mengemmäßig zu groß war, so bleibt etwas Ödem am Morgen zurück, welches nun die Entstehung von neuem Ödem durch die Wasserbindung der Salze und Eiweiße begünstigt. Wenn im Wesentlichen die Lymphbahnen für die Ödembildung bzw. mangelhaften Abtransport verantwortlich sind, so spricht man von Lymphödemen, die besondere Probleme aufweisen und daher gesondert besprochen werden sollen. Für den ordnungsgemäßen Abtransport der Flüssigkeit aus den Beinen in den Kreislauf und zurück zum Herzen sind ganz wesentlich die Funktionsfähigkeit der sog. Sprunggelenks-Pumpe und der Wadenmuskel-Pumpe notwendig. Damit ist gemeint, daß durch die muskuläre Aktivität bei Bewegungen, die Muskeln dafür sorgen, daß ein regelmäßig wechselndes Druckgefälle aufgebaut wird und damit die Flüssigkeit regelrecht aus den Beinen herausgepumpt wird. Da diese Pumpfunktion am stärksten nachweisbar ist bei den auf und ab Bewegungen des Sprungelenkes und der Kontraktion der Wadenmuskulatur, wurden die Pumpen so bezeichnet. Neben der gut ausgeprägten und trainierten Muskulatur, ist in diesen Bereichen auch das günstige Verhältnis zwischen der Masse der Muskulatur und der des Fettgewebes, als nicht aktives Gewebe, wichtig, d.h. Übergewicht ist schlecht und begünstigt die Schwellneigung. Die häufigsten direkten Ursachen für eine Ödembildung in den Beinen sollen nachfolgend aufgeführt werden. Häufig ist nicht nur eine Ursache an der Ödembildung beteiligt, sondern es können beim gleichen Patienten mehrere Ursachen wirksam sein. Die folgende Aufzählung soll nur Beispiele zeigen und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
- Extrem stehende Tätigkeit, extrem sitzende Tätigkeit, Übergewicht
- Krampfadern, Thrombosen, postthrombotisches Syndrom
- Verletzungen, Operationen, Entzündungen
- Medikamente
- Anlagebedingte, angeborene Schwellneigung
- Herzschwäche
Diagnose
Die Diagnose einer Schwellung der Beine und Füße ist am einfachsten über dem Schienbein und in den "Kulissen" hinter den Knöcheln zu erkennen. Druck mit dem Finger auf diese Partien hinterlassen mehr oder weniger tiefe Dellen. Ist die Sache soweit klar, ist vor weiteren Maßnahmen eine genaue Untersuchung des Gefäßsystems und der sonstigen Umstände erforderlich, z. B. um akute Thrombosen auszuschließen.
Behandlung
Die Behandlung der Beinschwellung ist in der akuten Phase, unabhängig von der Ursache des Ödems, immer gleich. Die Erforschung der Ursache des Ödems ist nur insofern notwendig, um klären zu können, ob zusätzliche Maßnahmen in der akuten Behandlung notwendig sind (z.B. bei Thrombosen), oder ob durch die Behandlung der zugrundeliegenden Störung eine grundsätzliche Besserung zu erzielen ist (z.B. Krampfadern). Die Behandlung von Beinödemen kann aus dem bisher Gesagten zwanglos abgeleitet werden. Warum werden die Beine dick und nicht der Kopf? Weil Flüssigkeit, entsprechend der Erdanziehung nach "unten", also fußwärts, sich verteilt. Logischerweise würde "auf den Händen laufen" helfen, vielleicht aber dann zu Schwellungen des Kopfes und der Arme führen. - Scherz beiseite. Das Verständnis dieses Zusammenhanges ist wichtig, um klar zu machen, daß man, von speziellen Ausnahmen (z.B. Herzschwäche) abgesehen, Beinödeme nicht mit Medikamenten behandeln kann. Woher soll schließlich die Pille wissen, daß die Beine dick sind und nicht der Kopf. Als besonders schlecht für diesen Zweck und in manchen speziellen Fällen geradezu verschlimmernd wirkend, sind wassertreibende Medikamente (Diuretika). Diese haben in der Therapie von Beinödemen zunächst einmal nichts zu suchen und bedürfen vor dem Einsatz einer genauen und sachgerechten Indikationsstellung. Was soll man also tun?
Zunächst muß das vorhandene Ödem entfernt werden. Dazu nutzt man die normalen Mechanismen der Sprunggelenks- und Wadenmuskelpumpe. Ein Kompressionsverband aus unelastischem Wickelmaterial stellt eine äußere, unnachgiebige Hülle dar, an der sich die Muskulatur bei der Bewegung "abstemmen" kann und somit die Flüssigkeit in Richtung auf das Gefäßsystem pumpen kann. Ist auf diese Weise das Ödem reduziert oder herausgetrieben, so kann für die Dauerversorgung ein medizinischer Kompressionsstrumpf (Gummistrumpf) angepaßt werden. Die Länge des Gummistrumpfes und die Festigkeit des Strumpfes (Kompressionsklasse) richten sich nach der Art und Ausdehnung des Ödems und nach weiteren Besonderheiten, wie z.B. Allgemeinzustand und Leistungsfähigkeit des betroffenen Patienten. Die Tragedauer richtet sich nach der Ursache der Schwellneigung. Das Einhalten dieser Reihenfolge: Zuerst Wickeln mit Kurzzugbinden, dann anpassen des Gummistrumpfes, ist von entscheidender Bedeutung für den Erfolg und die Verträglichkeit der Maßnahmen. Kompressionsverband und Kompressionsstrumpf haben etwas unterschiedliche Wirkprinzipien und physikalische Voraussetzungen. Kuzzugbinden sind unelastisch und ein Gummistrumpf ist, wie die Bezeichnung schon erwarten läßt, elastisch. Daher kann man einen gut angelegten Kurzzug-Verband auch unter Bettruhe tragen, was mit einem Kompressionsstrumpf einer höheren Kompressionsklasse, wegen der unter Horinzontallage auftretenden Schmerzen, nicht möglich ist. Physikalisch ausgedrückt gilt:
Kurzzug-Verband: Niedriger Ruhedruck, hoher Arbeitsdruck
Gummistrumpf: Hoher Ruhedruck, niedriger Arbeitsdruck
Die ordnungsgemäße Anwendung von Kompressionsmaßnahmen sowie die Kontrolle und Überwachung einer Kompressions-Strumpf-Versorgung sind ärztliche Aufgaben.
Kompressionsstrümpfe
Medizinische Kompressions-Strümpfe bestehen aus einem kompliziert aufgebauten Gewebe, daß mit einem hohen technischen Aufwand hergestellt wird. Entsprechend teuer ist das Produkt. Die Strumpfhersteller in den deutschsprachigen Ländern sind in einer Gütegemeinschaft zusammengeschlossen, die sehr strenge Qualitätskontrollen durchführt. Die Wirksamkeit eines Strumpfes setzt jedoch neben der hochwertigen Produktion auch voraus, daß der Strumpf sachgerecht behandelt und angezogen wird. Dies ist zu Beginn oft nicht einfach und bedarf einiger Übung. Wenn Sie mit Ihrem Strumpf nicht zurecht kommen, dann resignieren Sie nicht und "basteln" Sie nicht damit herum, sondern kommen Sie zu uns und lassen Sie uns das Problem begutachten. Es gibt auch für Sie eine technische Lösung Ihres Strumpfproblems! Natürlich kann ein Strumpf seine Wirkung nur entfalten, wenn er auch getragen wird. Das bedeutet i.d.R. insbesondere zu Beginn der Behandlung und je nach Erkrankung auch auf Dauer, daß der Strumpf morgens, sofort nach dem Aufstehen, angezogen werden muß und erst abends, vor der Nachtruhe, ausgezogen werden kann. Lassen Sie den Strumpf weg, so ist u.U. nach Stunden schon alles wieder wie vor der Behandlung und Ihr Bein bzw. Ihre Beine werden dick.
Wenn Sie Probleme haben, so sprechen Sie uns an. Wir kennen die Lösung.