Thrombose
Liebe Patientin, lieber Patient.
Unter Thrombose versteht man eine "pathologische intravasale Gerinnung" also eine krankhafte, im Gefäß ablaufende Blutgerinnsel-Bildung, die zu einem teilweisen oder gänzlichen Verschluß dieses Gefäßes führt. Damit entsteht die Gefahr einer Durchblutungsstörung im betroffenen Gefäßabschnitt oder einer Verschleppung des Blutgerinnsels in weiter entfernt liegende Gefäßabschnitte und Organe (Embolie). Wie kommt es nun zu einer solchen Thrombose, wie erkennt man sie, was muß man zur Behandlung unternehmen und welche Folgen muß man hieraus für die Zukunft ziehen?
Die Blutgerinnung ist eine lebensnotwendige Reaktion des Blutes und nur wenn sie unter krankhaften Bedingungen innerhalb des Blutgefäßsystemes überschießend abläuft, wird sie zur Thrombose, einer durchaus ernsthaften Erkrankung. In der Folge wollen wir unsere Betrachtungen auf die Thrombosen im Venensystem beschränken. Die erste umfassende Theorie, wie eine solche Thrombose in den tiefen Venen entsteht, stammte von Prof. Rudolf Virchow, einem Zeitgenossen Bismarcks, der Mitte des 19. Jh. die nach ihm benannte Virchow'sche Trias definiert hat. Danach werden Thrombosen ausgelöst durch krankhafte
- Veränderungen im Blut
- Veränderungen an der Gefäßwand
- Veränderungen der Strömungsverhältnisse des Blutes
Mit diesen 3 Bedingungen kann man fast alle Thrombosen erklären. So führen z.B. Bettruhe oder Ruhigstellung im Gips zu einer Verlangsamung der Bluströmungsgeschwindigkeit in den Venen, insbes. durch den Wegfall der Sprungelenks- und Wadenmuskelpumpe. Mit Operationen oder schweren Erkrankungen wird die Blutgerinnung als solche verändert etc.. In den letzten Jahren sind in zunehmendem Maße Störungen im System der Blutgerinnung festgestellt worden, die z.T. bis in die Erbmasse verfolgt und geklärt werden konnten (Thrombophilie-Faktoren). Alle diese äußeren oder inneren Bedingungen, wie sie in der Virchow'schen Trias oder in den Thromophilie-Faktoren erkannt sind, bedingen an sich noch keine Thrombose, es müssen vielmehr zusätzliche, auslösende Faktoren hinzutreten, soll es im konkreten Einzelfall zu einer Thrombose kommen. Solche, sog. Trigger-Faktoren sind z.B. Operationen, Geburten, Unfälle, Entzündungen, ernsthafte, sog. konsumierende Erkrankungen aber auch besondere Lebensumstände, wie z.B. lange Reisen, starkes Schwitzen oder auch Medikamente wie Hormone, Cortison, Zytostatika etc.. Häufig reicht auch ein einziger Trigger-Faktor alleine nicht aus, sondern es müssen mehrere ungünstige Umstände zusammenkommen um die Thrombose auszulösen.
Symptome und Diagnose:
Eine Thrombose ist nicht immer einfach zu erkennen. Von heftigen Beschwerden, wie Schmerzen und Schwellung der Beine etc. bis zu kaum merklichem Unwohlsein kann die Palette reichen, ja es sind sogar ausgedehnte Thrombosen bekannt, wo der Betroffene kaum etwas gemerkt hat. Selbst dem erfahrenen Untersucher können ausgedehnte Thrombosen "durch die Lappen" gehen und sicher geglaubte Diagnosen stellen sich als harmlose Beschwerden anderer Ursache heraus. Wichtig ist allein, unter bestimmten Bedingungen an die Thrombose als Ursache von Beschwerden zu denken und natürlich in den Situationen in denen Thrombosen gehäuft auftreten, gezielt danach zu suchen. Neben der körperlichen Untersuchung spielen bei der Diagnosefindung Blutflußmessungen, Doppleruntersuchungen und die farbcodierte Duplexsonographie eine entscheidende Rolle. Die Röntgenuntersuchung mit Kontrastmittel, die Phlebographie ist eine häufig unverzichtbare Untersuchung. In den letzten Jahren sind diagnostische Scores (WELLS-Score) und akute Blutuntersuchungen auf Spaltprodukte frischer Thromben (D-Dimere) zur Differenzierung hinzugekommen.
Verlauf:
Ist die Diagnose bestätigt, d.h. liegt eine Thrombose vor, so muß die Ausdehnung und das Alter der Thrombose bestimmt werden. Die Ausdehnung zu kennen ist wichtig, um im weiteren Verlauf erkennen zu können, ob die Thrombose zunimmt oder ob man den Prozeß zum Stillstand gebracht hat. Die Unterteilung der Thrombose nach "frisch" oder "alt" ist wichtig, um etwas über die Emboliegefährdung zu erfahren. Ein frischer Thrombus liegt frei im Gefäß und kann sich fortbewegen, embolisieren. Bereits nach wenigen Tagen beginnt die gewebliche Organisation des Thrombus und der alte Thrombus (mehr als 6-7 Tage) ist mit der Gefäßwand verwachsen und bewegt sich nicht mehr, d.h. die Emboliegefahr nimmt mit dem Thrombosealter ab. In der Folge geht die gewebliche Organisation des Thrombus weiter, er wird zu einer Narbe im Gefäß. Teile des Thrombus können sich durch körpereigene Mechanismen sogar auflösen, was zu einer teilweisen Wiedereröffnung der verschlossenen Gefäße führen kann (Rekanalisation). Dort wo der Thrombus gesessen hat sind allerdings, selbst bei bestem Ausheilungsstadium, die Venenklappen in den tiefen Venen zerstört. Dies ist der Punkt, der den Langzeitverlauf nach einer durchgemachten tiefen Beinvenenthrombose (TVT) bestimmt. Man nennt diese ganzen Folgen nach einer Thrombose das postthrombotische Syndrom (PTS). Es liegt auf der Hand, daß die Ausdehnung der Thrombose und die Lokalisation, das postthrombotische Syndrom ganz entscheidend bestimmen. Daher muß man, wenn man eine Aussage über die Zukunftsaussichten machen will, auch diese Faktoren ausreichend abgeklärt haben.
Embolie:
Jede tiefe Beinvenenthrombose kann im frischen Stadium zu Embolien führen. Die Embolie landet gewöhnlich in der Lunge, weshalb man von Lungenembolien spricht. Der Begriff Lungenembolie ist den meisten Patienten bekannt und versetzt sie häufig in Angst und Schrecken. Selbstverständlich ist eine Lungenembolie eine ernste Sache und kann im Extremfall sogar tödlich enden. Es gilt jedoch dies etwas ins rechte Lot zu rücken. Die vorliegenden Zahlen zur Häufigkeit und Verlauf von Lungenembolien sind zum größten Teil älteren Datums, aus der Zeit vor der systematischen Thromboseprophylaxe. Darüber hinaus ist bei der Betrachtung von statistischen Angaben immer auch zu beachten wie sie entstanden sind, d.h. wie die zugrundeliegende Aussage gesichert wurde.
Man geht, aufgrund von rechnerischen Rückschlüssen, davon aus, daß kleinere, unbemerkte Embolien bei ca. 50% der Thrombosen ablaufen bzw. zum Zeitpunkt der Diagnosestellung bereits abgelaufen sind. Andererseits geht man davon aus, daß der größte Teil der Lungenembolien garnicht als solche erkannt werden. Ernst wird eine Lungenembolie ohnehin erst dann, wenn die verschleppten Thrombusmassen so groß sind, daß soviel von der Lungenstrombahn verstopft wird, daß das Herz in Mitleidenschaft gezogen wird, weil es gegen den hohen Widerstand in der Lunge nicht mehr ankommt. Tödliche Lungenembolien sind relativ selten und kommen am häufigsten vor bei solchen Embolien, bei denen große Thrombusmassen abschwimmen können, also bei Thrombosen im Bereich der Körperstammvenen, der Beckenvenen etc.. Obwohl die Gefahr bei den meisten Thrombosen relativ gering ist, soll man doch immer an die Gefährdung denken. Panik ist jedoch nicht angesagt.
Behandlung:
Ist die Thrombose einmal geklärt, so gilt es sie zu behandeln. Zunächst muß eine grundsätzliche Entscheidung getroffen werden, ob eine konservative, medikamentöse Behandlung ausreichend ist, oder ob eine der seltenen Indikationen für eine Operation (Venöse Thrombektomie) oder für eine medikamentöse Thrombusauflösung (Lyse) gegeben ist. Meist ist die konservative Behandlung angezeigt. Die Behandlungsprinzipien enthalten die Forderung das gegenwärtige Beschwerdebild zu lindern, die Heilung zu fördern und vor allem das weitere Anwachsen der Thrombose zu stoppen. Dazu muß zunächst die Gerinnungsfähigkeit des Blutes vermindert werden. Dies geschieht akut, wegen der schnellen Sofortwirkung, mit Heparin und später für ca. 6 Monate mit einem Kumarin (z.B. Marcumar®). Die Schwellung des Beines muß zurückgedrängt werden und die Strömungsgeschwindigkeit in den tiefen Venen gesteigert werden. Dies geschieht zunächst mit einem Kompressionsverband und später für ca. 6 Monate mit einem Kompressions-Strumpf. Es liegt auf der Hand, daß Bettruhe nicht erwünscht ist, da diese die Strömungsgeschwindigkeit verlangsamt. Moderne Konzepte der Thrombosebehandlung gehen von einer ambulatorischen Behandlung aus, was bedeutet, daß auf Ruhigstellung im Bett verzichtet wird, wie früher allgemein üblich und leider heute noch gelegentlich anzutreffen. Der Patient hat einen Kompressionsverband und bewegt sich. Bettruhe ist nur notwendig, wenn der Patient wegen sehr starker Schmerzen im Bein nicht gehen kann. Unter bestimmten gegebenen Bedingungen kann das ambulatorische Konzept auch in ein ambulantes Konzept erweitert werden. Die modernen niedermolekularen Heparine (NMH) machen die Anwendung einer guten Gerinnungshemmung so einfach, daß dies auch im häuslichen Bereich erfolgen kann. Wie sieht also der typische Behandlungsablauf bei einer tiefen Beinvenenthrombose bei konservativer Behandlung aus?
- Normale Bewegung mit Kompressionsverband oder Gummistrumpf tagsüber.
- Antithrombosestrumpf bzw. Kompressionsstrumpf Klasse 1 unter nächtlicher Bettruhe.
- Kompressionsbehandlung auch aus Gründen der Prophylaxe am nicht betroffenen Bein.
- Antikoagulation. Spritzen mit niedermolekularem Heparin (NMH); 1x täglich in 24 Std. Abstand subcutan; Dosis nach Gewicht.
- ggf. internistische Diagnostik auf konsumierende Erkrankungen (Tumorsuche) solange die Heparin-Behandlung andauert.
- Sobald möglich und falls keine Kontraindikationen bestehen, überlappende Antikoagulation mit Kumarinen.
- Dauer der Antikoagulation 6 Monate.
- Nach Abschluß der Therapie mit Kumarinen evtl., in besonderen Fällen, ausführliche gerinnungsphysiologische Untersuchung zum Ausschluß einer Thrombophilie.
Merke
Die Güte und die Zuverlässigkeit der Thrombosebehandlung und der Nachsorge sind entscheidend für das Ausmaß der Folgeerkrankung, d.h. das Ausmaß des postthrombotischen Syndroms. Nehmen Sie die Dinge ernst.