Lymphödem
Liebe Patientin, lieber Patient.
Das Lymphödem
Unter einem Lymphödem versteht man eine Abflußstörung der Lymphe, dem Gewebewasser. Für die Gewebeflüssigkeit besteht ein eigenes, zartes, mit bloßem Auge kaum sichtbares Gefäßsystem, in das auch die Lymphknoten eingebunden sind. Hieraus kann man bereits erkennen, daß dem Lymphgefäßsystem nicht nur eine Transportaufgabe zukommt, sondern auch Beziehungen zur Infektabwehr etc. bestehen müssen. Über das Lymphgefäßsystem wird nicht nur Gewebewasser transportiert sondern auch weiße Blutkörperchen aus den Lymphknoten, aber auch Tumorzellen können sich z.B. auf dem Lymphtransportwege ausbreiten, man spricht von eine lymphogenen Metastasierung. Eine von vielen Möglichkeiten der Erkrankung dieses Systems besteht darin, daß das Gewebewasser, die Lymphe nicht mehr ausreichend abtransportiert wird, im Gewebe liegen bleibt und so eine Aufquellung der beteiligten Geweberegionen bewirkt, eben ein Lymphödem. Hierbei gibt es verschieden Möglichkeiten für den zugrundeliegenden Schaden. Zum einen, kann ein normales Lymphgefäßsystem vorliegen, aber die Menge an Lymphe nimmt so stark zu, daß der Transport nicht schnell genug erfolgen kann, z.B. bei Entzündungen, oder in der Folge der Behebung von Durchblutungsstörungen, oder als Folge einer Medikamentenwirkung, oder bei Herzerkrankungen. Zum anderen kann ein Lymphödem dadurch bedingt sein, daß zwar eine normale Lymphflüssigkeitsmenge vorliegt, die Transportfähigkeit des Lymphgefäßsystems aber nicht ausreichend ist, weil die Transportwege entweder geschädigt oder garnicht vorhanden sind.
Man unterscheidet angeborene Störungen am Lymphgefäßsystem als primäre Lymphödeme und erworbene Störungen am Lymphgefäßsystem, als sekundäre Lymphödeme. Sekundäre Lymphödeme entstehen z.B. wenn in der Folge einer Krebsoperation die Lymphbahnen bewußt entfernt wurden oder aber wenn die Lymphbahnen durch eine Entzündung vernarbt sind.
Diagnose:
Wie erkennt man nun ein Lymphödem und wie unterscheidet man es von Ödemen anderer Ursache, wie z.B. einem venös bedingten Ödem? Die Diagnose eines Lymphödems ist häufig eine primäre Blickdiagnose. Durch seine besondere Lokalisation und das häufig besondere Aussehen, kann der erfahrene Arzt häufig ein Lymphödem auf den ersten Blick erkennen, oder zumindest einen Verdacht äußern. Natürlich gibt es Übergangsformen und Spätstadien wo sich viele Dinge überlagern, in denen die Verhältnisse nicht mehr so einfach auseinandergehalten werden können. Daneben hilft natürlich die Vorgeschichte, die Anamnese, die der Patient schildert, häufig weiter um das Problem einzukreisen. Natürlich gibt es auch hier Anamnesen, die nicht viel hergeben und keine Hilfe für die Diagnosestellung sind. Mit anderen Worten, die Diagnosestellung kann sehr schwierig sein und insbesondere Patienten mit einem angeborenen, primären Lymphödem, haben häufig einen langen Irrweg hinter sich, bevor die Diagnose schließlich gestellt wird. Die apparative Diagnostik beschränkt sich auf den Ausschluß begleitender Erkrankungen insbesondere des Venensystems. Die früher häufig durchgeführte Lymphographie gilt als entbehrlich und eher schädlich.
Wie sieht nun eine Lymphödem aus? Das typische Lymphödem ist lokalisiert, d.h. auf eine Körperregion begrenzt ausgedehnt, je nach Ursache, einseitig oder beidseitig und es ist insbesondere ein derbes, festes Ödem. Damit ist gemeint, daß die Festigkeit der Schwellung besonders geprägt ist durch die Ödemflüssigkeit, die ja aus Lymphe besteht. Lymphe ist sehr salz- und insbesondere eiweißhaltig und enthält mehr oder weniger freie Zellen, insbesondere weiße Blutzellen, die diese Flüssigkeit relativ zäh werden lassen. Das lokalisierte Vorkommen ist insbesondere beim primären Lymphödem ein wichtiges Hinweiszeichen, weil es an den Beinen immer die Zehen in typischer Weise mit einschließt.
Der Eiweißreichtum der Ödemflüssigkeit ist auch dafür verantwortlich, daß das chronische Lymphödem immer auch zu bleibenden Gewebeschädigungen führt, weil der Eiweißreichtum zu einer Fibrose, einer vermehrten Bindegewebseinlagerung im Gewebe führt. Das chronische Lymphödem wird also immer hart und unnachgiebig und ist natürlich in dieser Phase auch nicht mehr zu entfernen, zu mobilisieren.
Das sekundäre, erworbene Lymphödem. In den meisten Fällen von sekundärem Lymphödem ist die Diagnose einfach zu stellen, weil hier oft die typische Vorgeschichte weiterhilft. Operationen, insbesondere Krebsoperationen, Bestrahlungen oder ausgedehnte Entzündungen, die von der Anatomie her zur Lokalisation des Ödems passen, machen die Diagnose schnell klar. Natürlich gibt es auch beim sekundären Lymphödem kniffelige Fälle, auf die aber hier nicht näher eingegangen werden soll, um das Bild nicht unnötig zu verwirren. Es soll aber an dieser Stelle bereits darauf hingewiesen werden, daß nach bestimmten Krebsoperationen und Bestrahlungen von vornherein mit einem Lymphödem in der Folge zu rechnen ist und daher natürlich eigentlich eine vorausschauende Behandlungsstrategie dieses Problem in den Therapieplan mit einbeziehen soll.
Das primäre, angeborene Lymphödem, kommt in zwei wesentlichen Formen vor. Zum einen gibt es angeborene Lymphödeme bei denen bereits beim Neugeborenen das Lymphödem sichtbar ist, Typ Nonne-Milroy und zum anderen gibt es Formen bei denen sich das Lymphödem erst im Laufe der Kindes- und Jugendalter, i.d.R. nach der Pubertät, allmählich sichtbar entwickelt, Typ Meige. Über die Häufigkeit der primären Lymphödeme liegen keine zuverlässigen Zahlen vor; in mehr als 80% der Fälle sind jedoch Frauen betroffen.
Die Behandlung der Lymphödeme ist relativ einförmig. Die Erkrankung ist in jedem Falle unheilbar und durch geeignete Maßnahmen sind nur Besserungen der Ödemsituation zu erreichen. Die sog. kombinierte physikalische Entstauungstheraopie (KPE) besteht aus:
- Kompressionstherapie mit Kompressionsverbänden und Kompressionstrümpfen hoher Kompressionsklasse.
- Manueller Lymphdrainage, einer Spezialmassage zur Aktivierung und Umleitung des Lymphstromes.
- Körperlicher Aktivität und Gymnastik.
Wirksame Medikamente sind nicht bekannt. Die Einnahme von wassertreibenden Medikamenten (Diuretika) ist zu unterlassen, da sie die Situation verschlimmern. Wichtig ist darüber hinaus für den Lymphödempatienten eine sorgfältige Hautpflege und ggf. Nagelpflege. Verletzungen, insbesondere an den Füßen sind tunlichst zu vermeiden, wegen der Gefahr des Erysipels. Die ist eine Infektion der Lymphgefäße mit Streptokokken, die als sehr ernsthafte Komplikation gewertet werden muß und intensivster Behandlung bedarf. Aus diesem Grunde sollte Barfußgang tunlichst vermieden werden, Vorsicht ist bei der Nagelpflege angezeigt. Im Urlaub, am Strand sollen grundsätzlich Badeschuhe getragen werden.
Lymphdrainage:
Die Verordnung der kostenträchtigen manuellen Lymphdrainage hat der Gesetzgeber an strenge Bedingungen hinsichtlich der Beurteilung der Notwendigkeit und Ausgangsdiagnose (Indikation) geknüpft und hat darüber hinaus eine ebenso strenge Mengensteuerung verordnet. An diese Vorgaben, die im sog. Heilmittelkatalog festgelegt sind. An diese Vorgaben muß sich der behandelnde Arzt unter Androhung von Schadensersatz (Regress) halten, er darf darüber hinaus eine gewisse Gesamtmenge des Verordnungsvolumens pro Quartal nicht überschreiten. Auf den speziellen Verordnungsbögen müssen Diagnose, Behandlungsart, Behandlungsstadium (Primär- oder Folgeverordnung) etc. detailliert angegeben werden. Der Physiotherapeut muß nach erfolgter Therapie einen Bericht schreiben und der verordnende Arzt ist gehalten eine Erfolgkontrolle durchzuführen, auch um u.a. die Notwendigkeit von Folgeverordnungen erkennen zu können. Das ganze verursacht einen riesigen Verwaltungsaufwand, den der verordnende Arzt im Übrigen nicht erstattet bekommt.
Neben diesem besonderen Aufwand ergibt sich jedoch noch ein besonderes ungeklärtes Problem, das der erwähnten Erfolgskontrolle. Dies ist nämlich von einer besonderen methodischen Problematik begleitet: Wie und woran beurteilt man den Erfolg?
Es ist klar, dass die Aussage des Patienten, es ginge ihm/ihr gut, nicht ausreichend sein kann. Die Beurteilung anhand von Umfangsmaßen ist sehr fehleranfällig und ungenau und insbesondere bei sehr peripheren, also zehennahen Ödemen unbrauchbar.
Ein weiteres Problem liegt darin, dass die Frage unbeantwortet ist, was genau ein Erfolg. Da die Erkrankung im Spontanverlauf, ohne Therapie immer und zwangsläufig zu einer Verschimmerung, also Zunahme der Ödeme führt, muß man im Prinzip schon den Erhalt des Zustandes (status quo) oder eine geringe Verschlechterung bzw. Zunahme des Ödems als Erfolg buchen.
Bio-Impedanz-Analyse:
Wir haben versucht das Problem der notwendigen Erfolgskontrolle dadurch zu lösen, dass wir ein Gerät zur multifrequenten Bio-Impedanz-Analyse (MBIA) angeschafft haben. Ohne dass hier auf die zugrundeliegende Methodik näher eingegangen werden kann, soll festgehalten werden, dass man mit dieser einfach anzuwendenden Methodik den Flüssigkeitsgehalt in definierten Körperregionen, z.B. Armen oder Beinen bestimmen kann. Bei mehreren Messungen in einem gewissen Zeitabschnitt (Horizontalverlauf) kann so der Erfolg oder der Misserfolg in der Behandlungsphase beurteilt werden.
Diese Untersuchung gehört nicht zum Leistungskatalog der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) kann aber andererseits auch von der Praxis in der gegenwärtigen schwierigen Situation, wegen der Investitionen und den Kosten für das bei der Messung verbrauchte Einmalmaterial (Elektroden) nicht kostenlos abgegeben werden. Es muß vielmehr dafür eine geringe, gerade kostendeckende Gebühr erhoben werden, die auch erfahrungsgemäß von den Kassen nicht erstattet werden.
Schlußfolgerung:
Der Lymphödempatient sollte in regelmäßigem Kontakt mit seinem betreuenden Arzt stehen. Nur durch nicht nachlassende Bemühungen sind irreversible Dauerschäden, wie z.B. die gefürchtete Elephantiasis zu vermeiden. Disziplin ist eine wichtige Voraussetzung für die Vermeidung von Komplikationen der Erkrankung.